Von Zürcher Schnitzel bis zu zypriotischen Muscheln (Cyprus Diving Centre): 21 Fragen an einen Schweizer Taucher, der (buchstäblich!) Wellen macht
- Brenda Beachbum
- 30. März
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Aug.

Von Brenda Beachbum
Daniel Kistler, Chef des Cyprus Diving Centre, ein 35-jähriger Zürcher, hat seine Fonduegabeln gegen Flossen eingetauscht. Er und seine Partnerin packten ihr Leben zusammen und zogen 2018 nach Zypern, wo sie jetzt eine Tauchschule betreiben. Er zeigt Touristen nicht nur schöne Fische; ihm liegt Qualität, Sicherheit und die Rettung des Mittelmeers am Herzen, und das bei jedem Tauchgang. Er bietet sogar einen PADI Advanced Open Water Diver-Kurs an, bei dem du dich im Wracktauchen und in der Unterwasserfotografie versuchen kannst. Außerdem hat er einen speziellen Kurs entwickelt, mit dem du ein „Meeresschildkrötenexperte im Mittelmeer“ werden kannst, auch wenn du nicht tauchst! Was also bringt einen Schweizer dazu, die Alpen für die Ägäis zu verlassen? Ich habe Daniel gefragt. Also schnall dich an und mach dich bereit, in Daniels Gedankenwelt einzutauchen!
Welches ist dein Lieblingstier / Krafttier und warum?
Da gibt es sehr viele. Hier in unseren Gewässern auf jeden Fall die Meeresschildkröte. Weil es ein wirklich wunderschönes Tier ist, sehr elegant, oft unterschätzt wird und leider auch mehr Aufmerksamkeit benötigt für den Schutz. Weltweit sind es auf jeden Fall alle Arten von Haien, aufgrund der Vorurteile. Doch unter Wasser sind sie so elegant und schön anzusehen.
Welches ist dein Lieblingszitat(e) an das du häufig denkst oder danach lebst?
Das Leben ist zu kurz, nimm dir Zeit für Meer.
Welches Buch/Bücher sollte man unbedingt gelesen haben und warum?
Ich lese hauptsächlich nur Theorie-Bücher zum Thema Tauchen.
Dein schönster und schlimmster Moment deiner Aktivität / beruflichen Laufbahn?
Schönster Moment: Spontaner Besuch von zwei Bryde Whales in Koh Tao bei einem PADI Advanced Kurs mit Schülern (PADI = Professional Association of Diving Instructors). Schlimmster Moment: Als wir auf Zypern in 30 Metern Tiefe eine tote Grüne Meeresschildkröte fanden, die sich in einer Angelschnur verfangen hatte.
Welchen Rat würdest du unserer jetzigen jungen Generation für den Einstieg in ihr zukünftiges Leben geben? Welchen Rat sollten sie ignorieren?
Geht raus, genießt die Natur und wertschätzt sie auf eine vernünftige Art und Weise. Aber hört auf mit dem Extremismus. Dieser wirkt nur abschreckend.
Was tust du hauptsächlich in deinem Beruf und mit welchen Herausforderungen hast du zu tun? Was treibt dich am meisten an?
Ich kümmere mich in erster Linie um die Führung der Tauchschule und unserer PADI Pro Programme, zusammen mit Tamara. Im Tourismus und speziell auch in der Tauchbranche hat man immer wieder mit unterschiedlichen Herausforderungen zu kämpfen. Zum einen sind wir ein Saison-Betrieb und müssen daher für jede Saison neue Mitarbeiter finden. Zudem haben wir natürlich auch mit der Inflation und den Umwelteinflüssen zu kämpfen. Jedoch ist es dann mehr als Lohn genug, wenn man wieder neue Taucher ausgebildet hat, welche voller Freude über die wunderschöne Unterwasserwelt berichten und dadurch auch automatisch ein Sprachrohr für den Meeresschutz werden.
Mal im Ernst: Was war der Auslöser für die Idee, nach Zypern zu ziehen und eine Tauchschule zu eröffnen? War es eine besonders starke Flasche Ouzo?
Gute Frage! 😄 Nein, es war tatsächlich so, dass ich schon als kleines Kind mit meiner Mutter hier oft Urlaub gemacht habe. Dadurch habe ich auch auf Zypern tauchen gelernt und damals schon gesagt, irgendwann lebe ich hier. Als ich dann Tamara kennengelernt habe, und wir gemeinsam reisen waren, haben wir beschlossen, in Thailand den PADI Divemaster Kurs zu machen. Gleichzeitig hat mich ein Freund auf Zypern gefragt, ob wir nicht mal eine Saison bei ihm arbeiten möchten. So hat es sich dann ergeben und wir sind geblieben. Erst 2 Jahre als Angestellte und dann im Jahr 2020 eine eigene Tauchschule übernommen.
Ihr legt großen Wert auf Qualität und Sicherheit. Was ist dein „Schweizer Käse“-Ansatz, um sicherzustellen, dass Taucher ein sicheres und unvergessliches Erlebnis haben? (Abgesehen davon, dass ihr den Fischen kein Käsefondue gebt).
Das ist uns sehr wichtig und wir haben es auch von Anfang an stark verfolgt. Was uns auszeichnet ist auf jeden Fall, dass wir ein sehr familiäres und lockeres Verhältnis pflegen. Wir gehen auch gerne mal mit den Kunden was essen (Kein Käsefondue - Hier greifen wir auf lokale Spezialitäten zurück 😎. Wir haben aber auch immer nur kleine Gruppen (maximal 4 Personen auf einen Guide) und jede Gruppe ist individuell mit dem Guide und dem Fahrzeug unterwegs. Wir halten uns an alle Standards und achten natürlich auch sehr darauf, dass wir die Unterwasserwelt schützen.
(Klicken zum Vergrößern)
Es wurde ein Anstieg der Schildkrötensichtungen festgestellt. Ist das eine gute Nachricht oder gibt es tiefer liegende Probleme? Was ist wirklich los?
Ja, seit hier auf Zypern mit dem Schutz der Nester begonnen wurde, kann man nun sehen, dass es mehr junge Meeresschildkröten gibt. Gerade während der Corona Zeit konnte man immer mehr Meeresschildkröten sehen. Nun wurde das aber leider den Meeresschildkröten zum Verhängnis. Sie werden oft von Booten angefüttert, was dazu führt, dass die Meeresschildkröten vermehrt an der Wasseroberfläche schwimmen und mit Wasserfahrzeugen kollidieren. Dies ist eigentlich verboten auf Zypern, aber an der Durchsetzung des Gesetzes hapert es noch stark.
Ist dies ein Zeichen für ein gesundes Ökosystem oder zieht es die Schildkröten nur näher an die Küste, weil sie ihren traditionellen Lebensraum verlieren?
Das Ökosystem im Mittelmeer ist ohnehin eines der gefährdetsten der Welt. Jedoch ist es ihr natürliches Verhalten, in ihren Teenager-Jahren näher an die Küste zu kommen, wo sie sich von Seegras ernähren (Grüne Meeresschildkröten). Aber gerade an der Küste verlieren sie immer mehr Lebensraum.
Du hast eine tote Schildkröte gefunden, die sich in Angelschnüren verfangen hatte. Kannst du bitte den Moment beschreiben, als du sie gefunden hast? Was ging dir durch den Kopf?
Das war unglaublich traurig. Erst konnten wir es wirklich nicht fassen. Es war gerade eine sehr große, männliche Meeresschildkröte. Als wir sie losgeschnitten hatten, und dieser Anblick, als sie leblos an die Wasseroberfläche trieb, hat uns allen die Tränen in die Augen getrieben. Aber wir haben auch ziemlich rasch gesagt, diese Schildkröte ist nicht umsonst gestorben.
Welche häufigen Missverständnisse bestehen hinsichtlich Meeresschildkröten?
Viele wissen nicht, dass Meeresschildkröten zum Atmen an die Wasseroberfläche müssen. Daher verstehen sie auch nicht, dass es sehr schädlich ist für die Meeresschildkröten, wenn man sie am auftauchen hindert.
Welche konkreten Schritte können Touristen unternehmen, um ihre Auswirkungen auf die Meeresumwelt Zyperns und anderswo zu minimieren?
Verzichten auf Fütterungen von Meereslebewesen und auch diese Anbieter nicht unterstützen. Keine Wassersportkraftfahrzeuge fahren, oder falls doch, dann nur mit viel Rücksicht und langsam. Beim Tauchen oder Schnorcheln nichts anfassen. Aber gerade auch im Mittelmeer, vielleicht mal etwas mehr im Mittelmeer tauchen gehen als ans andere Ende der Welt zu reisen. Denn Meeresschutzgebiete werden oft nur dort eröffnet, wo der Tauchtourismus dem Staat auch Geld bringt.
Hast du bereits positive Veränderungen im Verhalten der Touristen gegenüber Meeresschildkröten beobachtet, seit ihr mit euren Aufklärungsbemühungen begonnen habt?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben aber allgemein oft Kunden, die uns hauptsächlich "auswählen", weil wir hier viel Rücksicht nehmen. Auch weltweit bilden immer mehr Tauchprofis, egal von welcher Organisation, ihre Schüler dazu aus, nachhaltig zu tauchen.
Was ist das Wichtigste, was Touristen über den verantwortungsvollen Umgang mit Meeresschildkröten wissen sollten?
Abstand halten und den Anblick genießen! Aber nicht füttern!
Zypern ist für das Wrack der Zenobia berühmt. Was macht es so besonders?
Die Zenobia ist eine riesige RoRo-Fähre* mit mehreren LKW's, die im Jahr 1980 gesunken ist. Ihre Größe von ca. 172 Metern Länge ist faszinierend. Man kann noch immer Eierschalen, Trinkflaschen und auch Pferdeknochen finden. Menschen sind zum Glück keine zu Schaden gekommen. Zusätzlich haben wir hier extrem tolle Tauchbedingungen und die Zenobia liegt in einer perfekten Tiefe von 18 Metern bis 42 Metern.
*(RoRo-Schiffe (von englisch Roll on Roll off) sind Schiffe, die bewegliche Güter im RoRo-Verfahren transportieren.)
Können interessierte Menschen auf Anfrage zu dir kommen und euch bei eurem Projekt Xenios freiwillig unterstützen?
Ja, das ist möglich. Wir haben auch einen eigenen Kurs über Meeresschildkröten im Mittelmeer. Bei uns kann jeder mithelfen und uns unterstützen. Das Projekt wächst immer mehr.
Welche sind die größten Herausforderungen bei deinen Bemühungen zum Artenschutz? Bürokratie? Fehlende Finanzierung? Sonnenanbeter, die die Schildkröten absichtlich mit Jungfischen füttern?
Alles zusammen! Das mangelnde Interesse der Regierung und die große Bürokratie. Aber auch der "Kampf" gegen eingeflossene Gewohnheiten und natürlich der Preiskampf.
(Klicken zum Vergrößern)
Was sind deine langfristigen Ziele für Xenios?
Wir hoffen, dass wir mit unserer Datenbank nachvollziehen können, wie es den Meeresschildkröten auf Zypern geht, wie ihre Routen sind und wo sie sich am meisten aufhalten. Dadurch kann man Schutzzonen einführen und mit Fakten aufzeigen, was ihnen schadet und was nicht.
Wenn du einen Zauberstab schwingen und eine Sache an der Interaktion der Menschen mit dem Ozean ändern könntest, was wäre das?
Die extremen Industriefischereien sofort beenden und nur noch nachhaltiges Fischen durch kleine Fischer gestatten. Das hilft den einzelnen Menschen sowie dem Meer.
Und zum Schluss: Welchen Rat würdest du jemandem geben, der davon träumt, dem Alltag zu entfliehen und seiner Leidenschaft nachzugehen, selbst wenn das bedeutet, um die halbe Welt zu ziehen?
Machen und probieren! Keine Angst haben. Viele träumen davon, am Meer zu leben, sich für das Meer einzusetzen und Tauchlehrer zu werden, nur wenige machen es, weil sie Angst haben. In der heutigen Zeit haben wir so viele Möglichkeiten. Zunächst sollte man sich aber Zu Hause eine gute Grundlage schaffen, falls es doch nicht aufgeht, dass man zurückgehen kann. Dazu zählt für mich vor allem eine Ausbildung und erste Arbeitserfahrung. Wir bieten bei uns aber auch kostenlose Beratungen an, für Menschen, die noch nicht genau wissen, wie sie es angehen sollen.
Danke!
Dank Daniels Antworten, können wir seine fesselnde Geschichte, seine Leidenschaft für den Meeresschutz und die faszinierende Welt, die er auf Zypern geschaffen hat, besser verstehen. Es ist eine Geschichte, die sicherlich andere dazu inspirieren wird, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen – im wahrsten Sinne des Wortes – und die Welt zu verändern. Wenn du also das nächste Mal einen Urlaub planst, könntest du den Cocktail mit dem Schirmchen gegen einen Tauchgang mit Daniel eintauschen. Erfahre dabei mehr über die Wunder der Unterwasserwelt, helfe beim Schutz dieser süßen Meeresschildkröten und schnappe dir vielleicht sogar ein oder zwei Geisternetze. Denn was ist befriedigender als eine sommerliche Bräune und ein reines Gewissen?
Neugierig auf mehr?
Website Cyprus Diving Centre: https://www.cyprus-divingcentre.com/
Instagram Cyprus Diving Centre: https://www.instagram.com/cyprusdivingcenter/
Instagram Daniel Kistler: https://www.instagram.com/padi_instructor_kid/
Klartext braucht eine starke Crew.
The Ocean Tribune ist zu 100% unabhängig, werbefrei und für alle frei zugänglich. Wir lassen uns von keiner Lobby kaufen, weil wir nur einer Sache verpflichtet sind: dem Ozean.
Das ist nur möglich, weil eine Crew von unerschrockenen Unterstützern hinter uns steht, die diesen Kurs finanziert. Wenn du unsere Arbeit wertvoll findest, dann werde jetzt Teil dieser Bewegung. Jeder Beitrag ist Treibstoff für unsere Mission und sorgt dafür, dass wir weiter die unbequemen Wahrheiten aussprechen können.
Aus der Werkstatt: Vom Problem zur Lösung
Aufklärung ist der erste Schritt. Die Umsetzung der zweite. Wir bei Vita Loom Labs entwickeln die professionellen Werkzeuge und strategischen Prozesse, die Impact-Organisationen dabei helfen, ihre Missionen wirkungsvoller zu machen.
Sie wollen sehen, wie unser strategischer Prozess in der Praxis aussieht? Unsere 'Blueprint Case Study' demonstriert Schritt für Schritt, wie wir aus einer guten Idee einen unwiderstehlichen, förderfähigen Antrag schmieden.
The Ocean Tribune
Wir wissen, was die Ozeane zu sagen haben!

































