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Sailing Miss Salty: Von Orca-Angst, kaputten Klos und der Kunst, auf 12 Metern nicht durchzudrehen

  • Kevin Klepto
  • 6. Mai
  • 17 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 6. Aug.

Mela und Jan

Von Kevin Klepto


Ahoi, liebe Leserin und lieber Leser der Ocean Tribune! Normalerweise schlagen wir an dieser Stelle ja Alarm: Schmelzende Gletscher hier, Plastikinseln da, bedrohte Tiefseekreaturen dort. Aber heute, werte Dame und werter Herr, heute werfen wir den Rettungsring der guten Laune aus und präsentieren dir ein Abenteuer, das salziger ist als eine vergessene Sardine in der Bilge!


Wir haben uns mit Jan und Mela von „Sailing Miss Salty“ unterhalten – zwei Menschen, die freiwillig ihre 173m² gegen weniger als 20m² schwankenden Wohnraum getauscht haben, um über den großen Teich zu schippern. Ist das nun heldenhafter Mut oder einfach nur eine kreative Methode, um dem Alltag und überteuerten Mietverträgen zu entkommen?


Finde es heraus! Wir sprechen über Orca-Ängste, die Tücken der Bordtoilette (Gasmaske inklusive!), die Frage, wer mehr Muffensausen hatte, und ob man Delfine wirklich um Navigationstipps bitten kann (Spoiler: Eher nicht, aber Vomex hilft!). Also, hol dir einen Kaffee (vielleicht sogar aus einer Siebträgermaschine?), mach es dir bequem und komm an Bord für ein Interview, das mehr Wellengang hat als Jans Laune vor dem ersten Morgenkaffee (Insider-Wissen!). Leinen los!



Welches ist euer Lieblingstier/Krafttier und warum?

Wir lieben beide Katzen, aber Katzen nicht das Wasser.



Welches ist euer Lieblingszitat(e) an das ihr häufig denkt oder danach lebt?

Du bist die Summe der Menschen, mit denen du dich am meisten umgibst.



Welches Buch/Bücher sollte man unbedingt gelesen haben und warum?

Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen. Man versteht dadurch besser, warum man ist wie man ist.



Wie hat eure Familie reagiert, als ihr sagtet, es geht über den großen Teich? Oder war euer Abenteuer schon vorhersehbar? Und wurden bereits in der Vergangenheit solche Aktionen von familiärer Seite aus gestartet und wenn ja, welche wertvollen Tipps und Erfahrungen wurden euch mitgegeben?

Die Familie war freudig und traurig, dass wir gehen. Durch Starlink hat sich jedoch herausgestellt, dass man immer sehr nah ist. Früher hätte es sowas nicht gegeben. Wir leben in einer Zeit, in der alles unfassbar einfach geworden ist.


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Jan, du segelst seit deinem vierten Lebensjahr! Wer hatte die Idee, über den Atlantik zu schippern? Und Mela, musste Jan dich mit Rum und Seemannsliedern bestechen, um dich zu diesem Abenteuer zu überreden oder war es Liebe auf den ersten Blick?

Tatsächlich habe ich mein Leben auf diese Reise und diesen Lebensstil ausgelegt. Alles, was ich seit 2012 getan habe, hatte im Hintergrund dieses Ziel und ich habe intensiv darauf hingearbeitet. Das erste, was ich Mela gefragt hatte, als ich sie kennenlernte, war: Kannst du dir vorstellen, um die Welt zu segeln? Hätte sie diese Frage nicht mit Ja beantwortet, würden wir jetzt nicht hier sein. Ein guter Freund meinte einmal zu mir: Such dir eine Freundin, die nicht wegen dir mit dem Segeln anfängt, sondern die unabhängig von dir diese Leidenschaft schon hat. Wenn jemand mit einem Sport neu anfängt, wird es unfassbar schwer, die Skills die man selbst schon hat aufzuholen, auf Augenhöhe macht es deutlich mehr Spaß.



Jan, hast du nie mit dem Gedanken gespielt, einmal an der Vendée Globe teilzunehmen oder in den Profi-Segler-Bereich einzusteigen? (Oder spielst du vielleicht schon mit dem Gedanken?)

Ein ehemaliger Schulkamerad war tatsächlich Olympiasegler im 49er. Mein learning ist, wenn man nicht seitdem man klein ist, im Verein auf den Profibereich vorbereitet wird, hat man kaum eine Chance Fuß zu fassen. Leider wurde ich als Kind dahingehend nicht gefördert. Tatsächlich reizt mich die Vendee Globe. Aber die Strukturen dort hinzukommen sind nur mit riesigen Mitteln zu bewerkstelligen, aber auch dann sollte man sein Leben lang im Regattabereich unterwegs gewesen sein. Um Profi zu sein, sollte man sein Leben dieser Aufgabe widmen. Das kann ich nicht mehr aufholen, ist aber auch völlig in Ordnung. Man muss wirklich zwischen Profisportler, Kurzstrecke, Langfahrt und einfach nur Leben auf einem Boot unterscheiden. Das Ostseesegeln ist etwas völlig anderes als die Langfahrt. Nicht jeder Segler kann oder mag die unterschiedlichen Disziplinen. Da wäre Mela vielleicht viel prädestinierter dafür, da sie unter anderem mit dem Regattasport Segeln gelernt hat. So habe ich sie auch kennengelernt. 🙂




Wann ging eure große Reise los (Ort/Monat) und wo seid ihr bisher überall gewesen? (Stichpunkte lassen wir auch durchgehen/grobe Angabe von Orten-Land-Monat)

Wir starteten im August 2023 von Flensburg über Kiel, Rendsburg, Brunsbüttel, Cuxhaven, Vlieland, Ijmuiden, Den Haag, Oostende, Dunkerque, Dover, Brighton, A Coruña, Camariñas, Rías Baixas, Vigo, Figueira da Foz, Porto, Cascais, Portimão. Danach Madeira & Porto Santo, Kanaren, Kap Verden, St. Lucia, Martinique, Dominica, Guadeloupe, Antigua und Barbuda, Curaçao, Bonaire, Puerto Rico, USVI (Amerikanische Jungferninseln), BVI (Britische Jungferninseln), Dominikanische Republik, Turks- und Caicosinseln, Bahamas, Annapolis, Washington, Baltimore.



Wer von euch beiden hatte kurz vor dem Start über den großen Teich mehr Muffensausen und vor was?

Da wir das Wetter so genau durchgegangen sind mit unserem Wetterexperten und wir uns gegen seinen Rat einen Tag früher auf den Weg begeben haben, hatte Mela etwas Muffensausen vor dem ersten Tag mit 38 Knoten Wind und der eventuell damit verbundenen Seekrankkeit - und ja, was sollen wir sagen, es war schlimm. 🙂

Jan war gerade erst zwei Wochen lang krank (evtl. Denguefieber, Magen-Darm, Durchfall) und hatte Angst, auf der langen Strecke wieder krank zu werden, wo es keinerlei Hilfe geben kann.



Gab es einen Zeitpunkt und Grund, wo ihr euch gedacht habt, doch lieber alles zu canceln? Und wenn ja, welcher und wer von euch hat was gedacht?

Grundsätzlich haben wir uns beide auf das große Abenteuer gefreut. Die Herausforderung: Atlantiküberquerung, raus in eine neue Welt. Klar, ist nicht immer alles rosig, aber übers canceln haben wir nie nachgedacht. Entlang der Reise ist uns aber des Öfteren aufgefallen, dass wir uns nach mehr Komfort sehnen, was ein anderes Boot zur Folge hätte.



Nach 593 Tagen seid ihr endlich an eurem Ziel, der Karibik, angekommen! Das ist länger, als manche Ehen halten! Was habt ihr in dieser Zeit übereinander gelernt, was ihr am liebsten wieder verlernen würdet (aber insgeheim liebt)? Gab es in dieser Zeit Momente, die mit Todesangst erfüllt waren?

Kurz zur Erklärung: Wir sind bereits sehr lange unterwegs und in der Karibik sind wir natürlich viel früher angekommen, ziemlich genau fast nach einem halben Jahr. Tatsächlich sind wir schon vor der großen Reise 3 Jahre zusammen auf dem Boot gesegelt und haben auch den Götakanal überstanden. Über diesen wird gesagt, dass man sich auf dieser Route entweder trennt oder gestärkt heraus geht, daher waren wir auf viel Schlimmes bestens vorbereitet. Trotzdem ist der Platzmangel immer wieder ein Thema und zum Wohle aller, wollen wir das optimieren. Todesangst hatten wir nie. Angst vor Orca Angriffen aber sehr wohl. Als wir uns der spanischen Küste näherten, waren wir beide schweißgebadet, da ein Boot auch sinken kann, sollte das Ruderblatt durch Orca-Spielereien komplett abfallen. Wir haben auf der Reise gelernt, dass wir beide keine leidenschaftlichen Langfahrtsegler sind und das gemütliche Leben vor Anker im Einklang mit der Natur lieben. Viele Orte erreicht man aber erst über weite Distanzen mit dem Boot, auch da spielt der Komfort an Bord wieder eine große Rolle. Es kommt halt doch darauf an, wie man von A nach B kommt und nicht, dass man überhaupt von A nach B kommt. Es ist ein signifikanter Unterschied, ob man nur 4 Wochen Sommerurlaub auf einem Boot macht oder ob man für Jahre auf diesem Boot lebt. Das haben wir unterschätzt. Man weiß es erst, wenn man lange unterwegs ist. Nicht jedes Boot ist für die Langfahrt geeignet. Dennoch kommt fast jedes Boot über die Barfußroute an.



Mela, du bist der ruhige Part in eurer Beziehung. Auf einer Skala von 1 bis „Riesenwelle“, wie oft und wann schlägt Jans Anpassungsfähigkeit in den ausgewachsenen „Captain Chaos“-Modus um?

Einmal am Tag kommt die große Welle, die sich dann wieder legt. 😂



Ihr lebt für lange Zeit auf einem 12-Meter-Boot – das ist kleiner als so manche Stadtwohnung! Was war das Seltsamste, das ihr aus Platzgründen umfunktionieren musstet?

Wo fängt man da an? Wir haben grundsätzlich das gesamte Boot zum Lagerraum ausgeweitet. Das Boot ist aus platzgründen mittlerweile ein Lagerhaus geworden, was uns nicht besonders gefällt. Wir sind an einem Optimierungsmaximun angekommen, dass einzige was noch hilft: ein neues Boot. 😂


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Was treibt euch in eurem Leben am meisten an?

Siegeswillen, aufgeben ist keine Option, was nicht heißt, dass man über Umwege ans Ziel kommen kann. Wenn man keine Ziele mehr im Leben hat, schwindet auch der Antrieb?!



Was ist bisher der unspektakulärste Aspekt eures Bootslebens? Ist es schlimmer als gedacht? Lasst uns über die wirklich harten Dinge reden – Toilettengang, seekranke Momente, Existenzängste beim Seepockenschrubben, … eure schonungslose Berichterstattung ist gefragt.

Es stellt sich heraus, dass man sich an alles anpassen kann. Ob das schön ist bleibt unklar. Wir kommen aus einem wunderschönen, 173 m² großen Haus und leben jetzt auf weniger als 20 m² ohne richtige Dusche und reparieren fast täglich irgendetwas. Man kann den Sinn hinterfragen, das Erlebnis steht aber an erster Stelle.

Schonungslos: Unsere Toilette war schon 3 mal kaputt. Wir haben zum Glück eine Gasmaske an Bord. Das große Geschäft ist immer ein Abenteuer und täglich warten wir darauf, dass die Pumpe versagt und alles auseinandergebaut werden muss.

Wir können bei Überfahrten nur duschen, wenn die Sicherheit es zulässt. Wir duschen draußen, am Heck des Bootes. Bei zu viel Seegang wird es schwierig. Es besteht täglich eine 50/50 Chance, ob man ruhig schlafen kann und oft sind Ankerplätze nicht ausreichend geschützt. Wenn wir unsere Lebensmittelvorräte wieder auffüllen, platzen wir aus allen Nähten und trotzdem reicht es meist nur für 2 - 3 Wochen.



Was war der lächerlichste Streit, den ihr an Bord hattet? Ging es um die Navigation, den Spüldienst oder darum, wer dem Gegenwind standhalten musste? Oder hat vielleicht jemand damit gedroht, nach Hause zu schwimmen?

Wir haben alles schon erlebt. Persönlich beschuldigen wir uns gegenseitig ständig, weshalb hier und da wieder was rumliegt, was da nicht hingehört, aber am Ende haben wir uns immer wieder lieb😂



Habt ihr beim Segeln irgendwelchen bizarren Aberglauben entwickelt? Wirft man zum Beispiel immer ein Schnitzel über Bord, um Poseidon zu besänftigen, oder fragt man die Delfine, um Navigationstipps zu erhalten?

Überhaupt nicht. Rationalität und Mela’s Vomex (Medikament gegen Übelkeit und Erbrechen) siegen.



Euer lustigstes Missverständnis mit Zollbeamten in einem ausländischen Hafen?

Auf den Bahamas wurde Mela gefragt, ob wir Firearms an Bord haben und Mela dachte, er meint damit unsere Feuerlöscher. Solche Fragen sind wir als Europäer nicht gewohnt.



Ist es einfach oder schwer, in die ganzen verschiedenen Länder einzureisen? Was braucht man und ist es einfach mit dem VISA (Aufenthaltsgenehmigungen)? Wo war es am schwierigsten?

Total unterschiedlich. In der Karibik nutzen einige Länder eine gemeinsame Plattform, welche man vorab online nutzen kann. Insgesamt haben wir mit unseren deutschen Pässen keine Probleme und ein Visum erhält man wie beim Reisen mit dem Flugzeug „on arrival“. Wir müssen uns lediglich für die Ein- und Ausreise, die Immigration (wir Personen) und Custom (unser Boot) Behörden selbst raussuchen, aber das gehört nun mal auch dazu beim Reisen. Bisher hatten wir aber keine Probleme.


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Gibt es eine Sache, die ihr immer einpackt, die euch lächerlich vorkommt, aber insgeheim unverzichtbar ist?

Eine Kreditkarte und unsere Badelatschen liegen immer im Dinghi (kleines Beiboot).



Welche Snacks sind eure Lieblingssnacks an Bord, die euch auf langen Strecken mit Energie und guter Laune versorgen? (Snack-Empfehlungen, jeder weiß es, sind unerlässlich!)

Jan ist unser Chipsfanatiker und Mela die schokoladige Maus. Da Schokolade hier schnell schmilzt, sind es eher schokoladige Müsliriegel. Alles ohne Markenpräferenz, da jeder Supermarkt in einem neuen Land eh wieder unterschiedliche Dinge hat. Wir nehmen was wir kriegen.


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Was ist Euer größter Luxusartikel auf der „Miss Salty“, ohne den ihr einfach nicht leben könntet? (z.B. eine superschicke Kaffeemaschine, unglaublich weiche Handtücher, …)

Wir haben unsere geliebten elektrischen Sonicare Zahnbürsten, ohne die geht nichts und wir mussten die sogar auch schon 1 Mal aus Deutschland einfliegen lassen. Sonnenbrille mit Sehstärke, schon einmal im Hafen versenkt und wieder rausgetaucht. Mela‘s Brille ist gerade korrodiert und auseinandergefallen. Wo es eine neue geben wird? Keine Ahnung.

Unsere Siebträgermaschine mit Milchaufschäumer, ist nicht lebenswichtig aber für die Moral an Bord äußerst wichtig.



Technologie auf See – Segen oder Fluch? Hat euch eure Abhängigkeit vom GPS schon einmal auf komische Weise in die Irre geführt? Und welches Teil ist das wichtigste für euch?

Der Autopilot ist mit Abstand der wichtigste Helfer. Er ist wie ein dritter Mann und wird nie müde. Ohne ihn könnten wir keine längeren Strecken schaffen, da wir nur unsere zweiköpfige Crew sind.



Was ist der beste Rat, den ihr im Laufe eures Lebens von einem anderen Segler erhalten habt? Und was der schlechteste Ratschlag? (Nennt uns bitte ruhig Namen … JOKE …).

Nur lossegeln, wenn die Bedingungen es zulassen, war der beste Rat. Das Schlechteste: Einfach machen, wird schon passen …




Ihr liebt das Meer, davon kann man ausgehen, wenn man sich so viel wie ihr darin und darauf befindet. Was war das Schockierendste, was ihr im Meer gesehen habt und das euch die Dringlichkeit des Meeresschutzes deutlich vor Augen geführt hat?

Berge von Müll, Öle im Wasser. Immer wieder schrecklich zu sehen, wenn Menschen wissentlich nicht organische Stoffe ins Wasser werfen, angefangen bei Zigaretten. Es ist einfach nicht in Ordnung. Herausstechend war auch, dass wir bisher fast noch nie farbige Korallen gesehen haben.



Sind euch bisher auf eurer Reise besonders inspirierende Beispiele für den Meeresschutz begegnet?

Bonaire. Hier werden Korallen gezüchtet und extrem auf den Naturschutz geachtet, vorbildlich.



Für Segelneulinge, die dies hier lesen: Welcher weit verbreitete Irrglaube über das Segeln um die Welt ist eurer Erfahrung nach völlig falsch? (Vielleicht, dass es immer so glamourös ist, wie im Film dargestellt?)

Glamourös ist das Segelleben gar nicht, zumindest nicht das Langfahrtsegelleben. Denkt man das als Segelneuling? 😃 Sicherlich gibt es Unterschiede, ob man auf einem 60 Fuß Katamaran lebt oder wie wir auf unserem 41 Fuß Monohull. Es ist ein ewiger Kampf mit Reparaturen, um den Kahn am Laufen zu halten. Das Salzwasser und die salzige Luft zerstört mit der Zeit alles und wenn man wichtige Reparaturen aufschiebt, rächt es sich später doppelt so hart. Man braucht leider schon das nötige Kleingeld, um die Sicherheit an Bord zu gewährleisten. Viele segeln trotzdem, was eigentlich lebensgefährlich sein kann. Da wir so viel mehr Seemeilen zurücklegen als ein Wochenendsegler, geht früher oder später jedes Teil mal kaputt. Es ist sicherlich auch eine Frage des Alters, wie robust man ist, aber alles, was mit Besorgungen und Erledigungen zu tun hat, ist jedes Mal wieder ein Kampf.


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Und für die erfahrenen Segler: Was hättet ihr gerne vor dem Ablegen gewusst, um euch viele Kopfschmerzen (und möglicherweise Seekrankheit) zu ersparen?

Das Boot sollte so gut es geht autark ausgestattet sein, bevor man lossegelt und alle Funktionen sollten ausführlich getestet werden. Wir haben bis weit in die Karibik hinein Monat für Monat nur aufgerüstet. Aber das sind die Erfahrungen, die man einfach mit der Zeit sammelt. Man sollte alles an essenziellen Ersatzteilen mitnehmen, weil man kaum etwas unterwegs findet. Was bringen einem 800 Liter Wassertanks, wenn die Wasserpumpe nicht funktioniert? Und auch an so kleine Dinge sollte man denken, wie unterschiedliche Adapter für die Gasflaschen zum kochen, denn mal eben schnell Dinge bestellen können wir unterwegs nicht. Trotzdem stellen wir fest, dass immer wieder etwas kaputt geht oder fehlt. Man sollte also sicherstellen, dass man fast alles selbst reparieren könnte.



Der Buschfunk hat uns folgendes berichtet: Ihr seid jetzt gerade (Stand: April 2025) bei den USVI Inseln (Amerikanischen Jungferninseln) unterwegs. Es geht später Richtung Florida, dann nach New York und dann Mitte des Jahres 2025 zurück zu den Azoren (Madeira) und später nach Süd-Spanien zum Überwintern. Ende des Jahres 2026 plant ihr eine erneute Überquerung über den Atlantik mit einem größeren, schnelleren und komfortableren Boot nach Brasilien, Amazonas, den Panamakanal, Pazifik und alles weitere lasst ihr offen. Was bereitet euch im Hinblick auf das Amazonas-Abenteuer am meisten Vorfreude und Angst? (Vielleicht Mücken von der Größe kleiner Vögel? Stechrochen die gefürchteter sind wie Piranhas?)

Ay, es gibt nichts Schlimmeres als Mücken. Die lieben aber eher Jan, auch wenn Mela ihm gerne dieses Leid abnehmen würde. Auf Barbuda hatten wir hunderte Bisse von Sandflöhen, die uns noch Tage danach nicht in Ruhe gelassen haben. Wenn wir nicht müssen, gehen wir lieber nicht in trübes Wasser, wo wir nicht sehen, was 10 cm unter uns ist.



Für Menschen, die davon träumen, etwas Ähnliches zu tun: Was ist der erste, praktischste Schritt, den sie unternehmen sollten? (Natürlich abgesehen vom Kauf eines Bootes und das erforderliche Kleingeld).

Sportbootführerschein und Funkzeugnis machen für die nautischen Grundkenntnisse. Und mal einen Urlaub oder am besten Überführungstörn mitmachen, ob das wirklich etwas für einen ist. Wie bereits erwähnt, ist ein Segelurlaub mit dem Langfahrtreisen nicht zu vergleichen. Wir haben von einigen Beziehungen gehört, die diese Stresssituationen an Bord nicht überstanden haben.



Hattet ihr schon einmal „piratenhafte“ Momente? (Hoffentlich keine echte Piraterie! Aber vielleicht einen dramatischen Sturm oder eine Begegnung mit einer überraschend großen Welle?)

Vor der Küste Portugals hat uns mal mitten in der Nacht ein Fischerboot verfolgt. Wir glauben aus Spaß, da das Fischerboot jeden unserer Kursänderungen mitgemacht hat.



Ihr segelt gerade durch die Karibik – habt ihr schon Meereslebewesen gesehen, die euch staunen (im positiven Sinne!) oder nach Luft schnappen ließen (im Sinne von „Meine Güte, ist das RIESIG“)? Gab es Begegnungen mit Lebewesen, auf die wir neidisch sein sollten oder vor denen wir Angst haben sollten?

Die Buckelwale in der Samana Bay der Dominikanischen Republik waren natürlich atemberaubend. Allgemein sind wir bei den vielen Haien auf den Bahamas nicht so erpicht darauf, ins Wasser zu gehen, auch wenn diese überwiegend friedlich sind. Es ist trotzdem ein komisches Gefühl.




Eure gruseligste Begegnung mit einem Meeresbewohner?

Wenn Fische auf einen zuschwimmen statt wegzuschwimmen, ist es eher komisch. Wir hatten z.B. tagelang einen riesigen 2 m langen Ammenhai an unserem Boot, der scheinbar unsere Gesellschaft mochte.



Was denkt ihr, verstehen Landratten aus eurer Sicht völlig falsch am Meer? Ist es für euch nur eine riesige Badewanne? Und welches ist das größte Missverständnis, das ihr ausräumen möchtet?

Im Gegensatz zu einer Landratte, die das Meer vielleicht eher als Urlaubsziel zum Baden ansieht, ist es für uns eine tägliche Naturgewalt. Mal wunderschön ruhig, mal aufgewühlt bedrohlich.



Was war die genialste Bootsreparatur, die ihr jemals durchgeführt habt?

Der Autopilot. Der ist auf der Überfahrt von Portugal auf die Kanaren verrutscht. Wir wussten, was das Problem ist, da wir den selbst zusammengebaut hatten. Für eine Reparatur mussten wir allerdings unsere Überfahrt abbrechen, das gesamte Steuersystem auseinandernehmen und einen Teil aus Niro (Nichtrostender Stahl) herstellen lassen. Seitdem funktioniert alles einwandfrei.



Der beste Trick, um auf einer langen Überfahrt Süßwasser zu sparen?

Süßwasser nachproduzieren. ☺️

Nein, wir gehen sehr sparsam mit unserem Süßwasser um, z.B. immer nur kurz mit kleinem Strahl den Hahn aufdrehen oder beim Duschen während des Einseifens das Wasser ausstellen.



Was ist der lohnendste Aspekt des Weltsegelns?

Sich eine eigene Meinung zu bilden, unabhängig von Meinungen anderer, die es selbst nie erlebt haben. Kulturell, landschaftlich, politisch etc. Bei touristischen Reisen ist man meistens in einer Bubble, die die Länder etc. nicht richtig darstellen. Und natürlich, dass man dauernd an Orte kommt die man sonst nur mit eigenem Boot sehen kann, fernab des Mainstreams.



Wo hat es euch bisher am besten gefallen und warum?

Auf Curaçao, da war es zwar heiß, aber toll zum Wassersport treiben. Außerdem war dort die Atmosphäre so entspannt, die Lebensmittelpreise okay und die Infrastruktur gut. Richtig gut haben uns aber auch die Exumas (Bahamas) gefallen, weil es einfach wunderschön ist und die Nächte wieder schön kühl zum Schlafen.


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Was ist eurer Meinung nach das größte Missverständnis über das Leben auf einem Segelboot?

Wir bekommen dauernd zu hören: „die Urlauber“. Klar, irgendwie zeigt man auch meistens nur die schönen Orte. Von den psychischen und physischen Aspekten auf dem Weg dorthin wird weniger gesprochen. Tatsächlich ist das Leben an Bord Arbeit ohne Ende. Man kann sich nur manchmal aussuchen wann man was und was zuerst repariert und erledigt.



Eure Meinung ist gefragt! Eine kleine Sache, die jeder tun kann, um dem Ozean zu helfen?

Müll in den Mülleimer. Nicht auf Korallen rumlaufen. Kein Shampoo im Meerwasser benutzen (sollte ökologisch abbaubar sein).



Wo und in welchen Regionen habt ihr bisher die meiste Verschmutzung (Plastik im Meer/an Land) wahrgenommen?

Dominikanischen Republik. Hier ist man richtig stolz auf seine 2-Takter Motorräder. Der Smog durch Abgase ist absurd. Müll wird während der Autofahrt einfach aus dem Fenster geworfen, es gibt sogar extra Hinweisschilder, um dies nicht zu tun. Aber solange sich die Menschen darüber Gedanken machen müssen, wie sie überleben (einfach ein Mindestmaß an Lebensstandard) spielt der Umweltschutz logischerweise keine Rolle. Daher muss dieses Problem zuerst beseitigt werden, bevor man über anderes redet.



Mit welcher Figur (aus Büchern, Filmen, …) würdet ihr gern einmal am liebsten segeln?

Wir segeln super gerne nur zu zweit, aber mit Boris Herrmann würden wir gerne segeln.



Ein Wort (bitte von euch beiden), um den Ozean zu beschreiben?

Groß

Unbarmherzig



Euer wichtigstes Segelzubehör (neben dem Boot)?

Das Dinghi - unser Auto Ersatz und Verbindung zum Land.



Also, für angehende maritime Abenteurer und Schriftsteller da draußen, was ist eure salzige Weisheit?

Es geht nichts über eigene Erfahrung, jeder nimmt das Segeln subjektiv anders wahr. Wir haben oft erlebt, dass etwas, was für uns schlimm war, für andere total normal war und umgekehrt genauso. Also nicht so viel auf andere hören, selber machen und erfahren.




Welchen Rat würdet ihr unserer jetzigen jungen Generation für den Einstieg in ihr zukünftiges Leben geben? Welchen Rat sollten sie ignorieren?

Unser Schlüssel zum Erfolg ist es, beharrlich zu sein. Bei Gegenwind darf man nicht umkippen, man sollte gerade dann noch eine Schippe obendrauf legen, um Ziele zu erreichen. Generell sollte man seine Ziele von den Meinungen anderer trennen. Wenn es dich glücklich macht, spielt es keine Rolle, was andere denken und sagen. Wenn man sich für andere anpasst, erfüllt man die Erwartungen der anderen, nicht aber seine eigenen. Wenn man dann trotzdem scheitern sollte, hat man die Achtung vor sich selbst bewahrt und gestärkt. Fehler zuzugeben ist ok, aber das geht nur, wenn man sie auch selbst gemacht hat. Typischerweise trifft vieles, was neu und unbekannt ist, bei anderen auf Gegenwehr, eine natürliche Abwehrhaltung. Man sollte sich davon nicht beeinflussen lassen, denn niemand weiß, was genau in seinem Gegenüber vor sich geht. Nur du selbst kennst dich am besten.


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Welches dringendste Bedürfnis hattet ihr nach eurer Atlantik Überquerung, als ihr endlich wieder festen Boden unter den Füßen hattet (abgesehen davon, wieder an Land zu gehen) - Eine Riesenpizza? Eine lange, heiße Dusche? Wäsche waschen?

Also erstmal stand für uns fest, dass wir in eine Marina gehen. Da wir morgens angekommen sind, sind wir direkt ins Frühstücksrestaurant gegangen. Mela kocht überwiegend fantastisch aber ein Restaurant ist nach so einer langen Zeit Gold wert. Das Essen entscheidet nicht nur bei der Bundeswehr über die Moral der Truppe. Abgesehen davon konnten wir nach 15 Tagen auf See endlich mal wieder ausführlich duschen und bei Todesstille schlafen. Wer nämlich denkt, Meeresrauschen und Wind sei etwas Beruhigendes, hat das noch nie 15 Tage am Stück erlebt.



Wer ist der kreative Vogel bei euch und kam auf den Namen eures Bootes: „Miss Salty“?

Mela ist kreativ ohne Ende. Den Namen haben wir gemeinsam nach langem Grübeln gefunden. Fun Fact: Scheinbar ist der Name gut, denn das bekommen wir oft beim Einklarieren zu hören.


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Und zum Schluss noch das Wichtigste: Wenn „Miss Salty“ sprechen könnte, worüber würde sie sich eurer Meinung nach am meisten beschweren? (Vielleicht Jans fragwürdige Parkmanöver?)

Also Jan’s Parkmanöver liegen weit über dem Durchschnitt, sodass Miss Salty keinerlei Schaden nimmt. Das sollte nicht das Problem sein. Miss Salty hat so viel Liebe von uns erhalten, es wäre vermessen, sich darüber zu beschweren. Wir haben dafür gesorgt, dass fast alles an Bord neu ist und sie weiterhin sehr gepflegt wird. Das einzige, was die alte Dame verstimmen lassen könnte, ist, dass sie auf ihre alten Tage noch so viel von der Welt sehen muss.




Herzlichen Dank!

So, liebe Ocean Tribune-Crew, Land in Sicht! Nach diesem wilden Ritt durch die Abenteuer von Jan und Mela fühlen wir uns, als hätten wir selbst gerade eine Atlantiküberquerung hinter uns – nur ohne die Seekrankheit, dafür mit Muskelkater vom Lachen.


Ein riesiges, wellenbrechendes Dankeschön an Jan und Mela von „Sailing Miss Salty“! Danke für eure entwaffnende Ehrlichkeit, die uns gezeigt hat, dass das Segelleben weniger aus Champagner-Sonnenuntergängen und mehr aus kaputten Toilettenpumpen, kreativen Stauraumlösungen („Lagerhaus-Chic“) und der ständigen Jagd nach dem perfekten Snack (Team Chips vs. Team Schokoriegel!) besteht. Wir haben gelernt: Wahre Liebe bedeutet auch, den „Captain Chaos“-Modus des anderen zu ertragen (einmal täglich reicht, Jan!), gemeinsam schweißgebadet auf Orca-Warnungen zu lauschen und zu wissen, dass Badelatschen im Dinghi wichtiger sind als fast alles andere.


Mögen eure Kaffeemaschine niemals streiken, eure Sonicare-Zahnbürsten immer aufgeladen sein (und nicht mehr aus Deutschland eingeflogen werden müssen!), die nächste „Miss Salty“ (oder wie auch immer sie heißen mag) euch komfortabel bis zum Amazonas und darüber hinaus tragen – mit hoffentlich mückensicherer Kabine (zumindest für Jan!) und weniger korrodierenden Brillen. Und falls "Miss Salty" doch mal das Sprechen anfängt und sich über Jans Parkmanöver beschwert – gebt uns Bescheid, das wäre die nächste Titelstory!


Wir hoffen, du hattest genauso viel Spaß wie wir. Bleib uns gewogen, pass auf unsere Meere auf (Müll gehört in den Eimer, nicht ins Wasser!) und wer weiß – vielleicht packt dich ja jetzt doch das Fernweh. Aber denk dran: Erst den Sportbootführerschein machen, dann vom großen Törn träumen! Mast- und Schotbruch und bis zum nächsten Mal in der Ocean Tribune!



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