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Exklusiv-Interview am Spülsaum – Wir treffen die Schildkröten-Prominenz

  • Kevin Klepto
  • 4. Apr.
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 2 Tagen

Shelly

Von Kevin Klepto


Ahoi Leseratte und Strandläufer! Hier ist dein rasender Reporter Kevin Klepto, live vom … naja, vom Sand halt. Wo sonst? Heute habe ich einen ganz besonderen Coup gelandet. Eine Ikone. Eine Legende. Eine Dame, die schon mehr Kilometer auf dem Buckel hat als dein klappriges Auto. Ich spreche von Shelly, der Meeresschildkröte, die diesen Küstenabschnitt ihr Zuhause nennt – oder besser gesagt, nennen würde, wenn man sie denn ließe! Ich habe sie gerade erwischt, als sie versuchte, unbemerkt ein Päuschen einzulegen. Exklusiv für dich packt Shelly jetzt aus – über den täglichen Wahnsinn, den glotzenden Mob und warum sie manchmal am liebsten ihren Panzer gegen einen Presslufthammer tauschen würde. Schnabel auf und Ohren gespitzt!



(Ich hüpfe aufgeregt von einem Bein aufs andere, picke kurz an einem verwitterten Stück Seetang) Shelly! Shelly, meine Liebe! Eine Ehre, eine absolute Ehre! Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen? Für unsere riesige Leserschaft! Die wollen alles wissen!

(Shelly hebt langsam den schweren Kopf, blinzelt mit ihren uralten Augen. Ihre Stimme klingt wie Schmirgelpapier auf rauhem Holz.) Riesige Leserschaft? Meinst du die Krabben, die versuchen, deine heruntergefallenen Krümel zu stibitzen, Klepto? Und nenn mich nicht „meine Liebe“, sonst teste ich mal, wie gut dein Flügelknochen unter meinem Kiefer nachgibt. Was willst du? Ich wollte gerade dösen.



(Ich weiche einen schnellen Schritt zurück) Äh, nur ein kurzes Interview, Shelly! Über das Leben hier, die … ähm … Besucher. Man sieht Sie ja oft umringt von Menschen. Ein echter Star! Wie fühlt sich das an? Dieses … Rampenlicht?

(Schelly stößt einen langen, resignierten Seufzer aus, der fast wie ein Zischen klingt) Rampenlicht? Nenn es beim Namen, Federvieh: Glotz-Terror! Das ist kein Rampenlicht, das ist, als würdest du versuchen, in Ruhe deine Notdurft zu verrichten, während dir hundert Zweibeiner mit blitzenden Kisten ins Gesicht leuchten und dabei kreischen wie ein ganzer Schwarm von euch Himmelsratten, wenn jemand eine Tüte Chips aufmacht!



(Ich neige den Kopf schief) Blitzende Kisten? Ah, Sie meinen die Dinger, mit denen sie auch Fotos von mir machen, wenn ich versuche, ein Eis zu klauen! Nervig, ja. Aber … Terror?

Terror, Klepto, purer Terror! Stell dir vor: Du bist müde. Du bist seit Tagen, vielleicht Wochen unterwegs, gegen Strömungen angeschwommen, Haien ausgewichen, Quallen gefressen, die schmecken wie alte Gummistiefel. Alles, was du willst, ist an Land kommen, ein Nest buddeln, deine Eier legen – ein heiliger, verdammter Instinkt, ja? Oder einfach nur mal kurz Luft holen und die Sonne auf den Panzer scheinen lassen. Und was passiert? KAUM taucht dein Kopf aus dem Wasser auf, geht das Geschrei los: „DA! EINE SCHILDKRÖTE! SCHNELL! HOL DIE KAMERA! KIIIINDER, GUUUCKT MAL!“

(Ich nicke verständnisvoll)



Ja, das kenne ich. Nur bei mir rufen sie: „VERDAMMTE MÖWE! HAU AB VON MEINEM SANDWICH!“ Ist aber doch irgendwie nett, dass sie sich für Sie interessieren, oder?

(Shellys Augen verengen sich zu Schlitzen) Interessieren? Das nennst du Interesse? Wenn sie dir den Weg abschneiden, wenn du an Land willst? Wenn sie dir so dicht auf die Pelle rücken, dass du ihre Sonnencreme riechen kannst – widerliches Zeug! Wenn sie ihre Blagen auf dich zustürmen lassen, die mit ihren Schaufeln auf deinen Panzer trommeln wollen?


Wenn sie dich umzingeln wie … wie eine Herde Rinder einen Salzleckstein, nur dass ich der Stein bin und keiner leckt, sondern alle nur glotzen und knipsen?

Das ist kein Interesse, das ist Belästigung! Das ist respektlos! Das ist … das ist zum Kotzen, Klepto, ganz ehrlich!



Wow, starke Worte! Aber … was ist denn das Schlimmste daran? Das Geknipse?

Alles! Es ist das Gesamtpaket des Grauens! Das fängt an mit dem Lärm. Dieses ständige Gequatsche, Gekreische, Gelache. Ich brauche Ruhe! Ich muss hören, ob Gefahr droht! Ich muss mich konzentrieren, wenn ich ein Nest suche! Aber nein, da plärrt einer ins Handy, dort heult ein Kind, weil es Sand ins Auge bekommen hat, und überall dieses Klick-Klick-Blitz-Klick! Besonders nachts, wenn ich versuche, meine Eier abzulegen! Dieses Blitzlichtgewitter verwirrt mich total! Ich weiß manchmal nicht mehr, wo das Meer ist! Und dann die Nähe! Sie kommen so nah! Stochern fast mit ihren Selfie-Sticks in meiner Nase rum! „Lächle mal, Shelly!“ Habt ihr sie noch alle? Ich bin eine verdammte Meeresschildkröte, kein Zirkuspony!



Selfie-Sticks … ja, seltsame Dinger. Aber sie wollen doch nur ein Andenken …

Ein Andenken? Auf meine Kosten? Auf Kosten meiner Gesundheit? Meines Friedens? Meiner Brut? Wissen die Zweibeiner eigentlich, wie viel Stress das für mich ist? Dieser ständige Trubel? Ich finde keine Ruhe mehr! Früher konnte ich stundenlang am Riff treiben und Algen mümmeln. Heute? Kaum tauche ich auf, hängt mir ein Schnorchler am Panzer und filmt mich beim Mittagessen! HALLO? PRIVATSPHÄRE? Schon mal gehört? Würdest du wollen, dass dir jemand beim Fressen von halbverdauten Fischresten zuguckt und das live ins Internet streamt?



(Ich zucke zusammen) Äh, kommt drauf an. Wenn dabei was für mich abfällt … Aber ich verstehe den Punkt! Sie fühlen sich bedrängt.

Bedrängt? Ich fühle mich wie ein gehetztes Wild! Wie ein Ausstellungsstück im eigenen Wohnzimmer! Und das Schlimmste sind die, die einen anfassen wollen! „Nur mal kurz den Panzer streicheln!“ Finger weg, ihr ungewaschenen Landratten! Mein Panzer ist keine Streichelwiese! Das ist MEIN Haus! MEIN Schutz! Und jedes Mal, wenn mich so eine Patschehand berührt, zucke ich zusammen und würde am liebsten zubeißen! Manchmal tu ich’s auch. Dann ist das Geschrei groß. Heuchler!



Sie haben schon mal zugebissen? Saftige Story! Details, Shelly, Details!

(Shelly ignoriert meine Sensationsgier) Es geht ums Prinzip, Klepto! Dieser Ort hier, das Meer, der Strand – das ist mein Lebensraum! Seit Millionen von Jahren leben meine Vorfahren hier!


Wir gehören hierher! Aber diese Touristen … sie platzen hier rein wie eine Horde Paviane in eine Teegesellschaft!

Sie trampeln auf potenziellen Nistplätzen herum, lassen ihren Müll liegen – Plastiktüten sehen unter Wasser aus wie Quallen, weißt du das? Schon mal fast an einer Plastiktüte erstickt? Ich schon! Sie werfen Anker auf Seegraswiesen, meinem Futterplatz! Sie jagen mit ihren lauten Booten über mich hinweg! Und wenn ich dann mal an Land komme, werde ich behandelt wie … wie Freiwild für ihre Kameras!



Plastiktüten … ja, ärgerlich. Die verheddern sich auch immer so blöd um die Füße. Aber was könnte man denn tun? Man kann die Leute ja nicht einfach aussperren, oder? Die bringen ja auch … ähm … Futterquellen mit an den Strand. Also, indirekt.

(Shelly schnaubt verächtlich) Futterquellen? Meinst du die Pommesreste, auf die du so scharf bist? Ein schwacher Trost für den Verlust meiner Würde! Was man tun könnte? Hirn einschalten! Respekt zeigen! Abstand halten! Keine Blitzlichter, besonders nachts! Keine lauten Geräusche in der Nähe von Nistplätzen! Denk doch mal nach! Stell dir vor, du liegst im Krankenhaus, und ständig stürmt eine Horde Fremder rein, leuchtet dir mit Taschenlampen in die Augen und brüllt: „Guck mal, ein Kranker! Mach mal ein Foto!“ Würde dir das gefallen?



(Ich schüttel energisch den Kopf) Nein, das klingt ungemütlich. Krankenhäuser riechen auch komisch. Nicht nach Fisch.

Eben! Und das hier ist mein Zuhause, mein Futterplatz, mein Kreißsaal, mein Altersheim – alles in einem! Und die Zweibeiner verwandeln es in einen verdammten Rummelplatz! Ich bin es so leid! Manchmal wünsche ich mir, ich hätte Stacheln wie ein Kugelfisch oder Gift wie eine Seewespe. Nur um mal einen Tag meine Ruhe zu haben! Nur einen einzigen Tag ohne dieses Gegaffe und Geknipse! Ist das zu viel verlangt?



(Ich schaue bedrückt) Das klingt wirklich … anstrengend, Shelly. Gibt es denn gar nichts Gutes an den Besuchern?

(Shelly überlegt kurz, dann schüttelt sie langsam den Kopf) Gutes? Hmm. Manchmal sehe ich kleine Zweibeiner, die am Strand sitzen und einfach nur aufs Meer schauen. Still. Nachdenklich. Die nicht gleich loskreischen oder die Kamera zücken. Die scheinen noch ein bisschen Ehrfurcht zu haben. Aber die sind selten. Die meisten sind nur … laut und aufdringlich. Sie wollen konsumieren. Auch die Natur. Auch mich.


Und das finde ich, um es noch einmal deutlich zu sagen, einfach nur zum Speien!


Eine klare Ansage! Shelly, ich danke Ihnen für Ihre … äh … unverblümten Worte. Das wird eine Top-Story! Unsere Leser werden … äh … beeindruckt sein! Haben Sie noch eine letzte Botschaft an die Zweibeiner da draußen?

(Shelly dreht ihren Kopf langsam Richtung Meer) Ja. Lasst mich verdammt nochmal in Ruhe! Bewundert das Meer, respektiert seine Bewohner, aber haltet Abstand! Benutzt eure Augen, nicht eure Blitzlichter! Benutzt eure Ohren, um der Brandung zu lauschen, nicht um zu kreischen! Und vor allem: Benutzt euer Hirn! Denkt darüber nach, was euer Verhalten für uns bedeutet! So, und jetzt entschuldige mich. Das Meer ruft. Und im Gegensatz zu euch hört es wenigstens zu.



Fazit: Mehr als nur ein Urlaubs-Schnappschuss

Puh, das war … intensiv! Shellys Frust ist förmlich greifbar. Hinter ihrer rauen Schale und den, zugegeben, etwas unflätigen Ausdrücken steckt eine ernste Botschaft: Massentourismus, selbst wenn er aus Interesse an der Natur entsteht, kann für Wildtiere zur Qual werden. Shellys Alltag ist ein extremes Beispiel dafür, wie das Bedürfnis nach Erlebnissen und Fotos den Lebensraum und das Wohlbefinden anderer Lebewesen massiv beeinträchtigen kann.


Es geht nicht darum, die Faszination für Meeresschildkröten oder andere Tiere zu verdammen. Aber Shellys Wutausbruch sollte uns daran erinnern, dass Respekt und Abstand entscheidend sind. Wildtiere sind keine Entertainer oder Fotomodelle. Sie kämpfen ums Überleben, folgen ihren Instinkten und brauchen ihren Raum und ihre Ruhe. Vielleicht solltet ihr, bevor ihr das nächste Mal die Kamera zückt oder euch einem Tier nähert, kurz innehalten und euch fragen: Würde Shelly das jetzt „zum Kotzen“ finden? Wenn die Antwort „wahrscheinlich ja“ lautet – einfach mal lassen. Den Moment genießen. Aus der Ferne. Das wäre wohl die beste Story von allen. Kevin Klepto, für The Ocean Tribune, jetzt auf der Suche nach einer weggeworfenen Fischsemmel. Over und aus!



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